Bisher größte Werkschau des Leipziger Malers Neo Rauch in Wolfsburg

“Neue Rollen. Bilder 1993 bis heute.” Die mit rund 80 Werken bisher größte Neo Rauch-Ausstellung, zu sehen im Wolfsburger Kunstmuseum, schlägt ein wie eine Bombe. Das zeigte bereits das Pressegespräch.

Von Aneka Schult

WOLFSBURG. Offenbar fühlt sich die 1960 in Leipzig geborene, wie ein Pfeil nach oben geschossene Kunst-Ikone in ihrer Rolle nicht wohl. Es mag zur Inszenierung gehören, dass Rauch sich erst überhaupt nicht zeigt, die gesamte Presse dann eine gute Stunde wartet, um endlich einen Mann zu umzingeln, der fast schüchtern dem Fragengewitter ausgeliefert scheint.

Voller Unbehagen geht er der Journalistentraube voran. Was als museumsinterne Mitarbeiterschulung gedacht war, gleitet den Verantwortlichen fast aus den Händen, als sich ein kurzes Wortgefecht entspinnt. Der Grund: Rauch sei der Rummel um seine Person zu viel. “Dass so ein Gespräch im Blitzlicht-Gewitter stattfindet, ist doch nicht normal”. Er ziehe sich lieber in sein Werk zurück. Als Rauch dann über seine Arbeit spricht, die Runde sensibilisiert Fragen stellt, genießt man das Gespräch mit dem sympathischen, zurückhaltenden Mann, der gern Rede und Antwort steht.
So vertraue Rauch bei seinen Bildfindungen auf den “permanenten Zustrom von kollektivem Bild- und Erinnerungsmaterial”. Zum Werk “Neue Rollen” (2005) sagt er: “Es ist alles da, es kann losgehen”. Geprobt wird ein neues Stück, eine Revolution? Sprachlos ist der 46-Jährige keinesfalls. Die Inhalte seiner figürlichen und disparaten Szenerien, scheinbar realistisch und doch verklausuliert, sind nur manchmal schwer zu “knacken”. Ihren Sog verdanken die Werke mit dem Tick Ost-Tristesse als auch dem Comicvokabular nicht zuletzt der magnetischen Farbkraft und den riesigen Formaten.

Was die Ausstellung, die keine Retrospektive, eher eine Zwischenbilanz sein soll, weil, wie Museumsdirektor Markus Brüderlin sagte, das Beste immer noch kommt – vielleicht im New Yorker Metropolitan Museum 2007 – in ihrer chronologischen Einteilung sichtbar macht, ist die künstlerische Entwicklung Rauchs. “Neue Rollen”? Welche Rollen haben die Galionsfigur der “Leipziger Schule”, den Meister der Werke “Plazenta” (1993) oder “Anima 1” (1995), die sich unbeschwert mit der klassischen Moderne messen können, so von sich selbst, seiner Kraft entfernt? Ab 2000 füllt Rauch die farbgreller werdenden Tableaus bis in alle Ecken aus. Die einstige Großzügigkeit ist fort. Die Figuren, “riesige Gummi-Indianer”, wirken kleinlich. Zwar setze Rauch “ein starkes Grundvertrauen auf die Infantilität” seines Zugriffs. Wie aber soll Kunst ihre Unbefangenheit bewahren, wenn sie zu Unsummen verkauft wird, bevor nur ein Tropfen Farbe die Leinwand befleckt.

Bis zum 11. März 2007.

www.kunstmuseum-wolfsburg.de

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